Mitarbeiter wie Profi-Fußballer betreuen

Personalabteilungen waren früher für die Urlaubsplanung und die Gehaltsabrechnung zuständig.

Heute besteht ihre Hauptaufgabe darin, international Talente zu suchen, zu finden, zu fördern und an das Unternehmen zu binden. Vorbild könnte der Profi-Fußball sein.

Mitarbeiter wie Profi Fußballer betreuen

Von Wolfgang Appel und Alexander Broj

Die Funktion des Mitarbeiters der Personalabteilung, einst für Gehaltsabrechnung und Urlaubsplanung verantwortlich, hat sich stark geändert. Immer mehr sind es strategische Aufgaben, die er im Unternehmen übernehmen soll. Ganz oben auf der Agenda steht: international die richtigen Talente finden und die Mitarbeiter individuell weiterentwickeln. Administrative Aufgaben werden standardisiert und über HR-Services (HR steht für Human Resources und steht für das betriebliche Personalwesen) automatisiert. Verantwortlich hierfür sind HR Shared Service Center, die als gesonderte Einheiten wiederkehrende Prozesse bündeln. Der Personalmanager selbst wird so zum Chief Human Resource Officer (CHRO), der stärker in die Unternehmensstrategie eingebunden ist.

Welche Anforderungen an den Personalmanager gestellt werden, zeigen die jüngsten Ergebnisse der globalen IBM-CHRO-Studie „Personalführung in einer grenzenlosen Welt“. Als Kernthemen für den Personalmanager haben sich herauskristallisiert: kreative Führungskräfte entwickeln, Fähigkeiten schneller und flexibler entfalten und kollektives Wissen effizienter nutzen.

Die Suche nach kreativen Führungskräften wird grenzenlos sein, denn dem globalen Absatzmarkt folgt ein zunehmend global werdender Arbeitsmarkt. Der Bedarf an internationalen Arbeitskräften wird deutlich steigen. Vor allem wachstumsstarke Länder wie Indien und China benötigen gut ausgebildete Führungskräfte. Und dies nicht nur im eigenen Land, sondern in aller Welt: Laut Studie planen 45 Prozent der indischen Unternehmen die Aufstockung ihres Personals in Nordamerika und 44 Prozent suchen neue Mitarbeiter in Westeuropa. Ein ähnliches Bild ergibt sich für China: Hier beabsichtigen 33 Prozent der Unternehmen Arbeitsplätze in Nordamerika zu schaffen und 14 Prozent in Westeuropa.

Dabei wird sich das Recruiting, die Mitarbeitersuche, grundlegend verändern – und weit über die bereits etablierte Online-Bewerbung über das Internet hinausgehen. Unternehmen müssen sich mehr Gedanken darüber machen, wie sie sich in sozialen Netzen wie Xing oder Facebook mit potentiellen Bewerbern vernetzen – und zwar wiederum weltweit. Und auch die Mitarbeitersuche im eigenen Unternehmen gewinnt eine andere Bedeutung. Der Personalmanager muss Talente auf allen Qualifikationsebenen – vom Facharbeiter bis zum Spezialisten – intern identifizieren und weiterentwickeln. Auch die Ausbildung wird verstärkt wieder im eigenen Unternehmen stattfinden und an Bedeutung gewinnen, um den Fachkräftebedarf decken zu können.

Um die richtigen Talente zu finden, muss Human Resource in der Lage sein, das Wissen im Unternehmen effizient anzuzapfen. Dies kann durch Podcasts geschehen, die sowohl Arbeitsplatz als auch Aufgabenbereich visuell darstellen, was sowohl internen als auch externen Bewerbern ein besseres Bild über die gestellten Anforderungen vermittelt. Die interne Stellenvermittlung wird deutlich intensiver auf einem zunächst regionalen, später dann auch globalen Talent-Pool basieren. Dabei sind der Zugriff und die Auswertungskompetenz von zentralen Daten ein Wettbewerbsvorteil. Mit unternehmensspezifischen Modellen, Prozessen und erweiterten Bewertungs-Tools kann der Personalmanager weltweit die Fortschritte potentieller Führungskräfte beobachten und diese dann individuell weiterentwickeln.

Das Talentmanagement ist in Europa das wichtigste Thema für Personalabteilungen. Das Thema ist den Personalmanagern strategisch extrem wichtig, aber gleichzeitig sehen sie sich am schlechtesten auf diese Aufgabe vorbereitet. Oft fehlt es an grundlegenden Dingen, um Talente auszumachen: Ein Großteil der Mitarbeiter hat keinen direkten Kontakt zur Personalorganisation. Personalabteilungen werden überwiegend als Personalverwaltung gesehen und nur zu einem geringen Teil als eine beratende Institution für persönliche Entwicklungsfragen. Auch die Instrumente zur Identifikation von Talenten sind in der Praxis unterentwickelt. Es wird allseitig wieder stark auf Assessment Center gesetzt, ohne ausreichend kritische Reflexion der Qualität der Ergebnisse.

Lernen können Unternehmen von einer Branche, die bereits über ein ausgefeiltes Talentmanagement verfügt – der Profi-Fußball. Die Rollenteilung im unternehmerischen Talentmanagement kann sich an denen des Profi-Fußballs orientieren: So gibt es zum einen das Talent selbst, das sich weiterentwickeln will, und es gibt den Trainer, der das Talent individuell fördert und ins Team integriert. Dass der Trainer überhaupt die richtigen Spieler im Team hat, dafür sorgt der Manager. Er steht in der Verantwortung, dass die richtigen Talente identifiziert und langfristig an den Verein gebunden werden. Laut CHRO-Studie sehen auch Unternehmen die „Bindung wertvoller Talente“ als enorm wichtig an – weltweit nannten dies 60 Prozent und in Deutschland 50 Prozent der befragten Personalmanager. Und wenn es um die langfristige Bindung geht, dann ist das Gehalt längst nicht mehr das Hauptargument – Aspekte wie flexible Arbeitszeiten, mobiler Arbeitsplatz oder Teilzeitarbeit werden immer wichtiger. Auch der Einsatz moderner Technologien ist relevant, wie etwa bei Arbeitsplätzen in der Produktion oder in der Pflege. Denn wer schwere körperliche Arbeit erledigen muss, bleibt länger im Unternehmen, wenn ihn Roboter oder andere technische Instrumente unterstützen. Als vierter Punkt spielen wie im Fußball die Regeln – also was Neudeutsch als Governance bezeichnet wird – einen wichtigen Part. Sie liefern die Rahmenbedingungen, um das Talentmanagement im Unternehmen nachhaltig und verlässlich aufzusetzen.

Die Transformation des Talentmanagements hat ein klares Ziel: Kreative Führungskräfte sind gesucht, die sich in unterschiedliche Teams integrieren können. Der Personalmanager ist in der Pflicht, ideale Bedingungen für die Mitarbeiter zu schaffen. Dabei bindet nicht nur die materielle Sicherheit ans Unternehmen, sondern auch emotionale Geborgenheit und Zugehörigkeit sowie Wertschätzung. Der Zukunftsforscher Horst Opaschowski spricht von einer nachwachsenden „Generation V“: Die nach 1990 geborenen jungen Menschen suchen Vertrauen und Sicherheit auch in der Arbeitswelt. Unternehmen, die diese Angebote machen können, werden mit Loyalität ihrer Mitarbeiter auch in Krisenzeiten belohnt werden.

Wolfgang Appel ist Professor für Personal- und Servicemanagement an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Saarbrücken, Alexander Broj ist Partner und Leiter des Bereiches HR Management Consulting bei der Unternehmensberatung der IBM Deutschland.