„Wer seine dunkle Seite nicht kennt, wird zum Risiko“

Im Gespräch: Stephanie Bosch, Management-Coach

Frau Bosch, Sie helfen Managern, ihre dunklen Seiten an sich zu entdecken. Warum ist das wichtig?

Jeder von uns hat diese dunklen Seiten in seiner Persönlichkeit. Meistens beschäftigt man sich aber nur mit der hellen Seite. Damit ist unser Verhalten gemeint, das automatisch abläuft und wo wir uns wohl fühlen. Die dunkle Seite finden wir heraus, wenn wir uns anschauen, wie sich unser Verhalten verändert, wenn wir unter Stress stehen. Dann kommen andere Eigenschaften zum Vorschein, und es ist wichtig, dass wir diese kennen.

Sie setzen Manager also unter Stress?

Das ist nicht nötig. Manager stehen ohnehin unter Stress. Ich teste ihre Persönlichkeit nach einer bestimmten Methode.

Warum ist es wichtig, seine dunklen Seiten zu kennen?

Wir reden nicht von richtig oder falsch. Persönlichkeit ist keine Fähigkeit. Man hat sie einfach. Aber wer seine dunkle Seite nicht kennt, wird zum Risiko.

Wieso das?

Sagen wir zum Beispiel, dass es zu meinen Stärken gehört, dass ich ambitioniert bin und ehrgeizig. Das ist zunächst einmal eine gute Eigenschaft für meine Karriere oder etwa auch im Sport. Wenn sich aber herausstellt, dass ich unter Stress anmaßend und aggressiv werde, dann kann sich das ins Negative für mich wenden. Ein zuvor engagierter Vertriebsmitarbeiter kann dann schnell mal einen wichtigen Kunden vergraulen. Und bei Führungskräften ist der Hebel zumeist noch sehr viel größer.

Wie meinen Sie das?

Stellen Sie sich vor, eine Führungskraft macht unter großer Belastung einfach dicht und hört auf zu kommunizieren. Diese Reaktion kann das gesamte Team verunsichern und eine Menge Produktivität kosten, weil jeder nur noch damit beschäftigt ist, darüber nachzudenken, ob die Verhaltensänderung des Chefs an ihm selbst liegt.

Lässt sich die Situation nicht durch eine klare Ansage des Vorgesetzten auflösen?

Doch, aber dazu muss sich der Chef dessen bewusst sein, und das ist alles andere als selbstverständlich. Viele Führungskräfte sind nicht immer so reflektiert.

Welche dunklen Seiten machen Sie denn oft bei Managern aus?

Es gibt verschiedene Eigenschaften von Sprunghaftigkeit über Disziplinlosigkeit bis zur Pedanterie. Aber es geht eigentlich immer darum, ein umfassendes Profil der Person zu erstellen, das die helle und die dunkle Seite umfasst sowie das Werteprofil. Damit lässt sich dann konkret arbeiten.

Wie reagieren Ihre Kunden darauf?

Einige nehmen es direkt an, andere wehren erst mal ab und sagen: So bin ich doch gar nicht. Ich rate denen dann, die Analyse ihrer Partnerin oder ihrem Partner vorzulegen. Die meisten kommen zurück und sagen, dass es doch stimmt.

Was lässt sich damit anfangen?

Damit kann man im Gespräch Strategien entwickeln, wie man in stressigen Situation besser reagieren kann. Wenn ich zum Beispiel jemand bin, der sich gerne in Sachverhalte vertieft und großes Detailwissen ansammelt, aber auch eine gewisse Sprunghaftigkeit an den Tag legt, dann ist es ziemlich wahrscheinlich, dass ich viele Mitarbeiter überfordere und sie damit in Diskussionen verliere. Also muss ich daran arbeiten, meine Überlegungen für alle nachvollziehbar zu machen.

Halten Sie auch nach, ob Ihre Kunden dauerhaft ihr Verhalten ändern?

Wer zu mir kommt, muss eine hohe Eigenmotivation haben, und die braucht es auch, um langfristig Erfolge zu haben. Wir erarbeiten zwar Strategien für stressige Situationen, aber umsetzen muss sie jeder selbst. Und an seiner eigenen Persönlichkeit zu arbeiten ist schwierig und ziemlich anstrengend.

Das Gespräch führte Sven Astheimer.

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