Steigende Gehälter: Handgeld für den IT Mann
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Am Arbeitsmarkt geht es zu wie im Profifußball: Die Gehälter für Spezialisten gehen durch die Decke, verzweifelte Arbeitgeber zahlen fast jeden Preis. Wie lange geht das gut?
Von Sven Astheimer
Dass für Profifußballer eigene Gehaltsregeln gelten, ist bekannt. Vor allem, wenn die Helden in kurzen Hosen den Arbeitgeber wechseln, scheint es keine Grenzen mehr zu geben. Als der Brasilianer Neymar in diesem Sommer für rund 222 Millionen Euro von Barcelona nach Paris wechselte und damit zum teuersten Spieler der Welt wurde, sollen auch rund 26 Millionen Euro an den Vater des Edeltechnikers geflossen sein. Sozusagen als Dankeschön, dass der mit Petro-Dollars gepamperte Klub überhaupt so viel Geld für den Junior auf den Tisch legen durfte. Solche Prämien sind im Profifußball gang und gäbe, in der normalen Arbeitswelt schien das bislang undenkbar. Doch das ändert sich.
Peter Michel, der eigentlich anders heißt, hat solch einen „Ablösepoker“, wie es unter Fußballern heißt, auch gerade mitgemacht. Nur dass er kein begabter Kicker ist. Michels berufliche Fähigkeiten liegen im Vertrieb von Cloud-Computing-Systemen. Ein ausländischer Internetkonzern, der auf den deutschen Markt drängt, wollte sich Michels Dienste sichern – unbedingt. Dafür war das Unternehmen nicht nur bereit, ihm einen Aufschlag von satten 50 Prozent auf sein jetziges Gehalt samt Provision zu zahlen – wobei die variablen Gehaltsbestandteile für das erste Jahr fest zugesagt waren. Als der Umworbene zögerte, legte das Unternehmen auch noch eine lukrative Antrittsprämie im fünfstelligen Bereich obendrauf. Ein Handgeld wie bei den Fußballern. Zusätzlich lockte ein Aktienpaket, das nach drei Jahren im Unternehmen übergeben würde und dann eine sechsstellige Summe wert sein dürfte. Michel war diese Offerte selbst nicht geheuer, zumal sein alter Arbeitgeber um ihn zu kämpfen begann und ebenfalls mit monetären sowie qualitativen Anreizen lockte. Gewinnen würde er in der Auktion aber auf jeden Fall.
Antrittsprämien für eine Fachkraft, die nicht einmal Führungsverantwortung trägt, sind in dieser Dimension am deutschen Arbeitsmarkt ungewöhnlich. Hohe Zahlungen, die nicht an konkrete Arbeitsleistungen gekoppelt sind, beschreiben bislang eher die Ausnahmen. Für Investmentbanker wurden in den fetten Zeiten sogenannte Halteprämien eingeführt, weil die Geldhäuser meinten, ihre „Cash-Bringer“ würden sonst zur Konkurrenz abwandern. Gemeine Angestellte oder Mittelmanager kamen jedoch seltener in den Genuss solch opulenter Sonderleistungen. Doch nun winken goldene Zeiten für die Masse. Denn die gute Lage am deutschen Arbeitsmarkt mit Vollbeschäftigung in weiten Teilen Süddeutschlands sowie der hohe Fachkräftebedarf, der durch die Digitalisierung noch erheblich beschleunigt wird, treiben die Preise derzeit in die Höhe. Und verzweifelte Arbeitgeber sind zunehmend bereit, zu zahlen, was der gewünschte Mitarbeiter verlangt. Koste es, was es wolle.
Goran Baric hält es für möglich, dass Antritts- und Halteprämien ein Modell für die Zukunft sein werden – zumindest solange die Wirtschaft so gut läuft und die Personalnachfrage hoch bleibt. Der Deutschland-Chef des Personalvermittlers Page-Group sieht darin „ein Zeichen für die Überhitzung am Markt“. Obwohl auch sein Unternehmen davon profitiert, betrachtet der Manager die Entwicklung durchaus mit gemischten Gefühlen. Baric fürchtet die Bildung einer Blase am Gehaltsmarkt. „Es fühlt sich nicht gesund an, wenn junge Menschen nach einem oder zwei Jahren Berufserfahrung ihr Gehalt schon verdoppeln.“ Baric sieht vor allem die Gehälter in den technischen Berufen aus dem Ruder laufen. Wobei das nicht nur für Akademiker gelte. „Auch Servicekräfte werden einem förmlich aus den Händen gerissen“, sagt er. Heute würden zum Beispiel Techniker zur Wartung von Cloud-Zentren oftmals per Headhunter gesucht – das sei früher undenkbar gewesen.
Dank des billigen Baugeldes boomt auch die Baubranche in Deutschland. „Attraktive Gehaltssteigerungen sind beim aktuellen Arbeitgeber heute viel leichter durchzusetzen als noch vor einigen Jahren“, sagte der Personalfachmann Richard-Emanuel Goldhahn kürzlich dieser Zeitung. Dem Arbeitgeber bliebe kaum eine andere Wahl, als auf die Erwartungen der Mitarbeiter einzugehen. „Die Einstiegsgehälter sind nominell so hoch wie nie, und die potentiellen Arbeitgeber reißen sich um die Kandidaten.“
Als Vorstandsmitglied der Vergütungsberatung Lurse ist auch Birgit Horak nah am Geschehen dran. Sie bekomme in Gesprächen mit Kunden mit, dass die Suche nach Spezialisten zunehmend erfolglos verlaufe. In einem Fall sei die Stelle für einen Controller seit mehr als einem halben Jahr unbesetzt. „Ein anderes Unternehmen sucht in München seit langem erfolglos eine Fachkraft für Vergütungssysteme“, sagt Horak. Immer öfter finden Unternehmen die gesuchten Spezialisten nicht mehr auf den lokalen Arbeitsmärkten. Und um die begehrten Kräfte anderswo loszueisen, muss oft noch eine gehörige Gehaltsschippe draufgelegt werden. Derzeit sind laut Horak etwa Big-Data-Spezialisten oder Profis im Umgang mit der Projektmanagement-Software Scrum gefragt. „Wenn ein Arbeitgeber einen begehrten Bewerber für seine Stelle an der Angel hat, bezahlt er fast jeden Preis.“ Laut Lurse sind die Einstiegsgehälter für Technikabsolventen mit Masterabschluss zuletzt auf 53 000 Euro geklettert und liegen damit gut 3000 Euro vor den Kaufleuten. Bis vor wenigen Jahren waren diese beiden Gruppen traditionell gleichauf.
Aus eigener Erfahrung weiß sie aber auch, welche Tücken in einer solchen Überhitzung des Marktes liegen. „Als ich in den achtziger Jahren in der Computerbranche anfing, waren Programmierer in der Assemblersprache heiß begehrt und entsprechend teuer“, erinnert sich die Beraterin. Wenig später sei dann die Sprache Cobol das Maß aller Dinge gewesen, die wiederum von C++ abgelöst wurde. „Jedesmal wurden neue Programmierer eingekauft, und die Unternehmen saßen dann auf ihren teuren Personalbeständen rum.“
Eine echte Alternative sieht Horak für die Arbeitgeber jedoch auch nicht. Auf Zulagensysteme, die auch nach unten abgeschmolzen werden können, wird sich eine begehrte Arbeitskraft schließlich kaum einlassen. Von Halteprämien rät die Vergütungsspezialistin allerdings ab. „Wenn das bekannt wird, zerschießen sie sich im Unternehmen vielleicht die gesamte Struktur.“ Und es wird immer irgendwann bekannt, sagt Horak überzeugt.
Dennoch gibt es Hoffnung für Arbeitgeber, die nicht jeden Mondpreis gewillt sind zu zahlen. Horak verweist darauf, dass die Berufseinsteiger von heute, gerne auch als Generation Y bezeichnet, ein anderes Verhältnis zum Geld haben. Zwar wüssten auch sie genau Bescheid über ihren Marktwert, wenn sie eine gute Ausbildung haben. Von einem bestimmten Gehaltsniveau an rückten jedoch andere Fragen in den Mittelpunkt: Welchen Sinn stiftet meine Arbeit, und wie viel Freiheit habe ich? Werde ich ernst genommen und wertgeschätzt? Horak berichtet von einem Mitarbeiter, den Lurse eingestellt habe. Dieser hätte anderswo mehr verdienen können. „Aber er hat sich für uns entschieden, weil ihm das Gesamtpaket besser gefiel.“
Auch Peter Michel hat sich entschieden. Dieses Angebot konnte er einfach nicht an sich vorbeiziehen lassen. Ob der Wechsel des Arbeitgebers richtig war, wird er erst später beurteilen können. Allzu große Sorgen macht er sich dennoch nicht. Wenn es schiefgehen sollte, wird er schon eine neue Aufgabe finden. Bei der Lage am Arbeitsmarkt.
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