Beruflicher Aufstieg: Jetzt bin ich Dein Chef

Der Rollenwechsel vom Kollegen zum Chef ist ein Kraftakt. Denn Fallen lauern überall. Ein junger Mann ist zum Abteilungsleiter aufgestiegen. Eine gestandene Personalleiterin hat den Karriereschritt bereits hinter sich. Beide berichten.

Ich habe mich gut geführt, auch gut aufgeführt. Weltklasse. Jetzt darf ich selbst führen und habe die Teamleitung. Ein Ritterschlag, den die Kollegen mit gemischten Gefühlen sehen. Sie haben keinen monetären Motivationsschub auf dem Konto, keine aufgepimpte Visitenkarte, dafür möglicherweise den neiderfüllten Frust, nicht erwählt worden zu sein. Ich bin 35 Jahre alt, arbeite in einem IT-Unternehmen. Wir behandeln uns alle wie Kumpels, egal ob Chef oder nicht. Das macht es aber fast noch schwerer, die Rolle zu wechseln.

Interne Aufstiege sind kein Selbstläufer. Vor allem nicht, wenn man selbst noch jung ist und sich mit den Kollegen gut versteht. Was dieser frischgebackene Teamleiter erzählt, können gestandene Manager gut nachvollziehen. Viele haben angefangen wie er. Als Aufsteiger.

Jeanette Straub ist auch so eine Aufsteigerin. Mit gerade mal 38 Jahren ist sie Personalchefin bei einem mittelständischen Automatisierungstechnik-Unternehmen bei Kirchheim unter Teck. Als „Director Human Resources“ ist sie zuständig für etwa 1000 Mitarbeiter an 18 Standorten auf der Welt. Auf dem Weg dorthin wurde sie gleich mehrmals aus einem Team heraus zur Leiterin befördert. „Das Verhalten der Kollegen ändert sich, wenn man von der Kollegin zur Vorgesetzten wird. Nicht selten bekommt man Neid oder Widerstand zu spüren. Dessen muss man sich bewusst sein“, sagt sie.

Angefangen hat Straub als Personalreferentin bei einer Daimler-Tochtergesellschaft in Sindelfingen. Nach zwei Jahren bekam sie ihre erste Leitungsposition. „Da habe ich meinen ersten Führungsfehler gemacht“, sagt sie. In ihrem Übereifer legte sie einer leicht chaotisch agierenden Mitarbeiterin in deren Abwesenheit eine neue Ordnungsstruktur im Computer an und räumte gründlich auf. „Ich wollte ihr helfen, das effizienter machen. Die fand nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub nichts mehr wieder und war in Tränen aufgelöst.“ Heute schüttelt Straub über ihr Vorgehen den Kopf. „Ich bin perfektionistisch veranlagt, habe ein hohes Tempo, hohe Ansprüche, das darf man nicht eins zu eins auf die Mitarbeiter spiegeln.“

 

Einer meiner Lieblingskollegen ist von Natur aus faul. Als Kollege war mir das relativ egal, als sein Chef hat mich das geärgert. Das mal zum Thema Rollenwechsel! Zum Glück hat er schnell gekündigt. Aber auch andere standen gleich auf der Matte mit frechen Gehaltsforderungen. Oder sie versprachen sich Vorteile bei der Urlaubseinteilung, wollten Brückentage bunkern. Aber Freundschaften dürfen Entscheidungen jetzt nicht mehr beeinflussen! Mir war das klar, meinen beiden engsten Teamkollegen nicht. Die gemeinsamen Badminton-Abende habe ich gestrichen.

Zum gelungenen Rollenwechsel gehört es, Konflikte zu moderieren und sich klar abzugrenzen. Wer sich auf Vetternwirtschaft einlässt, hat schon verloren – an Respekt und Autorität, so er die überhaupt hatte. Gleichzeitig gilt es, nicht alles von oben zu diktieren und den anderen komplett den eigenen Stil aufzudrängen: „Andere machen die Dinge anders, aber nicht schlechter“, weiß Jeanette Straub. „Das war eine der Herausforderungen für mich: auf fachlicher Ebene loszulassen, das laufen zu lassen und auszuhalten.“

Kann man das lernen? „Man kann“, sagt Straub. „Vielleicht durch Erfahrung. Und man muss es lernen, sonst arbeiten Sie Tag und Nacht.“ Wer Arbeitsaufträge nicht skizziert, delegiert, sondern nervös wie ein Wachhund jeden Schritt seiner Mitarbeiter kontrolliert, hat blendende Aussichten, seine Mannschaft gegen sich aufzuwiegeln und selbst an Arbeit zu ersticken. Junge Aufsteiger kämpfen in ihrer heiklen Sandwich-Position meist sogar an drei Fronten: Sie müssen ihre Mitarbeiter führen, ihren Vorgesetzten berichten und selbst für sich die Kurve bekommen.

Ständig ist diplomatisches Handeln gefragt: Was ist mit den ambitionierten Kollegen, die auf die nächste Karrierestufe hoffen, aber auf der Strecke bleiben? Jeanette Straub war von einem Vorgesetzten für ein Assessment-Center vorgeschlagen worden und hatte das gemeistert. Sie zog an einem Kollegen vorbei, dem früher offenbar Hoffnungen auf einen Aufstieg gemacht worden waren. „Das war ein Giftiger, für den war das der Horror, dass ich die Stelle bekommen habe, obwohl ich jünger und kürzer dabei war.“

Dieser Mann war Stellvertreter, aber Straub besetzte diese Stelle neu, „weil er fachlich und persönlich nicht die Kompetenzen mitgebracht hatte“. Monatelang eine schwierige Situation. „Er war machtorientiert, versuchte, zu drohen und wurde schließlich innerhalb des Unternehmens weiterentwickelt. Wir haben sogar wegen seines Zeugnisses gestritten. Diese Konfrontation hat mich auch deshalb nicht aus der Bahn geworfen, weil ich den Rückhalt meines Chefs hatte.“

Um solche Konflikte zu verhindern, stellen manche Unternehmen lieber Chefs von außen ein. Die plagt auch nicht das Duzen-Siezen-Thema. Wie hält das der „neue“ Alte? Kollegen das Du zu entziehen wird zur unsouveränen Lachnummer. „Manche zu duzen und andere zu siezen ist ein großer Krampf in der Teambesprechung. Ideal ist ein kollegiales Sie“, findet Personalleiterin Straub. Grundsätzlich erleichtere das die professionelle Abgrenzung, sei jedoch abhängig von der Branche.

Bei uns duzen sich grundsätzlich alle. Distanz wäre mir manchmal lieber. Gleichzeitig fühlt es sich seltsam an, wenn man auf einmal nicht mehr dazugehört. Wenn man bei spontanen Pizza-Runden als störend empfunden wird. Als Chef zahlt man da den Preis der Einsamkeit. Man muss es aushalten, nicht gemocht zu werden. Von heute auf morgen war bei mir Schluss mit Kantinenritual und Büroklatsch. Jetzt begnüge ich mich meistens mit dem Inhalt meiner Tupperdosen. Ich schiebe die Arbeit vor, weil ich spüre, dass die anderen lieber unter sich bleiben. Klar schmeckt denen das Schnitzel nicht mehr so gut, wenn der Mensch gegenüber jetzt über ihr Gehalt befindet und sie denken: Muss ich jetzt jedes Wort auf die Goldwaage legen?

Auch Jeanette Straub fand es ungewohnt, bei den Teeküchen-Gesprächen nicht mehr dabei zu sein. „Die Mitarbeiter werden etwas formeller.“ Straub sieht das nicht nur negativ: „Das ist eine wertvolle Erfahrung, weil es einem hilft, in der neuen Rolle anzukommen.“ Auch den Wechsel vom Großraum- ins Zweierbüro fand sie positiv. Straub hat sich früh um neue Kontakte auf gleicher Ebene in anderen Abteilungen bemüht. „Ich bin von Anfang an Netzwerkerin gewesen, das bewährt sich, um neutral Themen zu diskutieren. Ich rate ausdrücklich zu einem gemischten Netzwerk, auch um die Unterschiede zu erkennen, wie Männer und wie Frauen handeln.“

Bei aller Freude über den prallen Gehaltszettel und im ersten Dienstwagen-Rausch verkennen rein prestigegetriebene Aufsteiger allzu leicht eines: „Sie sind jetzt ganz anders in die Pflicht genommen, tragen die Verantwortung für die Arbeit und die Mitarbeiter.“ Das sagt ein Frankfurter Verkaufsleiter, der mit 58 Jahren viele Teams geleitet hat: „Man wird anders beobachtet. Jungspunde sonnen sich erst mal in dem neuen Titel. Nicht der Titel ist entscheidend, sondern die Mittel sind es, die zur Verfügung stehen.“

Das Personaldienstleistungsunternehmen Robert Half hat aktuelle Zahlen vorgelegt und HR-Nachwuchskräfte befragt: Jeder fünfte, frisch beförderte HR-Manager hat damit zu kämpfen, gesteigerte Erwartungen zu erfüllen, plagt sich mit der Kommunikation und Entscheidungsfindung. Führung auf Knopfdruck funktioniert eben nicht, das weiß auch Jeanette Straub. „Man sollte nicht versuchen, am Tag X den Chef zu spielen und anders zu sein. Dann ist man nicht authentisch.“ Besser sei es, neue Akzente zu setzen. „Schon kleine Veränderungen zeigen, dass ein neuer Wind weht. Und sei es nur, die Agenda der wöchentlichen Konferenz umzustellen.“

Was neue Chefs unisono betonen: Ein Mentor wirkt Wunder. Ein neutraler Sparringspartner gibt ohne Hintergedanken Ratschläge und fungiert als diskrete Korrekturinstanz. „Führen kann man lernen. Man muss es nur wollen“, sagt Straub. Sinnvoll sei ein Führungskräfte-Training. In Konzernen ist das etabliert, Stichwort Trainee. Wer für höhere Posten auserkoren ist, darf aufs Seminar. Und selbst wenn es dort an Softskill-Schlagworten wimmelt, die neue Situation wird reflektiert.

Hier beim Mittelständler gelten Führungskräfte-Trainings als überflüssiger Psychokram. Da hält man eher große Stücke darauf, die Nachwuchskraft ins kalte Wasser zu werfen. Das ist der Nachteil in unserer sich lässig-cool gebenden Branche ohne extreme Hierarchien. Ich habe viel zu spät auf eigene Kosten so ein Training besucht. Die Rollenspiele haben viel gebracht. Ich hätte gleich Grenzen ziehen müssen. Reden und Zuhören hilft, um gegenseitige Erwartungen zu klären. Am Ende kann man dann sogar hin und wieder entspannt ein gemeinsames Kantinenessen genießen.

Von Ursula Kals

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