Guten Tag, meine Damen und Herren …
Wer beruflich aufsteigt, steht oft im Rampenlicht. Ob Jubiläum, Podiumsdiskussion oder Youtube-Filmchen – ungeübte Moderatoren können sich schnell verheddern. Was hilft?
Nicht jeden drängt es ins Rampenlicht. Aber je höher die Karriereleiter erklommen ist, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, genau da hineinzugeraten und eine Veranstaltung moderieren zu müssen, von der Fachmesse bis zum Firmenjubiläum und damit auf YouTube zu landen. Rund drei Millionen sogenannter Businessveranstaltungen gibt es laut Meeting- & Event-Barometer. Die Zeiten, in denen gelangweilte Zuhörer Bereitschaft zeigen, langatmige und staubtrockene Einführungen über sich ergehen zu lassen, sind längst passé. Sie erwarten Entertainment, und das misslingt leicht. Beispiele mittelmäßiger Moderationen finden sich zuhauf im Netz. Immer häufiger werden – unangekündigt oder nur im Kleingedruckten erwähnt – Veranstaltungen mitgeschnitten. Was sich dann in Filmchen zeigt, gereicht den laienhaften Moderatoren nicht zur Ehre. Häufig wird improvisiert. Und das geht gar nicht, findet Nicole Krieger, die von diesem Scheitern lebt, „das von langweilig über peinlich bis haarsträubend reicht“.
Sie hat die Moderatorenschule Baden-Württemberg gegründet und schult für Auftritte vor Publikum. Was machen die meisten denn falsch beim Moderieren? „Sie überschätzen sich, sind der Meinung, ich kann gut reden, das reicht. Aber schon ein Meeting zu leiten ist eine Kunst für sich, ganz zu schweigen, vor 50 oder gar 1000 Leuten zu sprechen“, sagt Nicole Krieger. Erfolgsentscheidend sei die Frage nach dem Rollenverständnis. „Schlechte Moderatoren kümmern sich nicht um die Gäste, sondern um sich selbst.“ Deshalb hat sie die Gastgebermethode entwickelt und ein gleichnamiges Buch darüber geschrieben. „Im Zentrum steht die innere Haltung. Da können Moderatoren noch so toll in Rhetorik oder Körpersprache geschult sein, wenn ihnen nicht bewusst ist, dass sie sich um das Wohl ihrer Gäste kümmern müssen, nützt ihnen das nichts.“ Statt eigenes Wissen auszubreiten, bereitet sie den Gästen die Plattform, bekräftigt auch Dozentin Ariane Bertz.
Vorbereitung ist das A und O
Der Veranstalter hat ein Ziel, die Gäste haben Erwartungen, das zusammenzubringen ist die Aufgabe des Moderators. „Ich muss mich in die anderen hineinversetzen, eine gute Atmosphäre schaffen und Inhalte sortieren“, erklärt Krieger. Ein Großteil dieser Arbeit erfolgt im Verborgenen und meint Vorbereitung. „Viele denken, sie können eine Diskussion in einer Stunde vorbereiten, das ist utopisch.“ Zu denken, die letzte Stunde im ICE reiche, um sich in ein Thema einzuarbeiten und sich hinterher zu wundern, dass es „nur so okay“ war, das erlebt sie immer wieder. Darüber schüttelt die 42-Jährige den Kopf: „Rund 80 Prozent ist Vorbereitung, 20 Prozent ist Performance. Wenn diese 80 Prozent nicht stimmen, können die 20 Prozent nichts retten.“ Also ein Konzept erstellen und überlegen, mit welchen Inhalten führe ich durch die Tagung. Diplom-Betriebswirtin Ariane Bertz kann da mitreden. Die Eventmoderatorin hat kürzlich eine Podiumsdiskussion mit Frauen in Aufsichtsräten geleitet. Für die 41-Jährige ist es eine Selbstverständlichkeit, ausführliche Recherchen zu betreiben, um Gesprächspartnerinnen und Publikum gerecht zu werden. Die Vorstellung, mal flott etwas zu moderieren, um damit noch flotter Geld zu machen, findet sie grotesk. Lebensläufe herunterzurattern käme ihr nicht in den Sinn. Bertz fragt nach persönlichen Erfahrungen, um das Thema zu illustrieren und „seriös Emotionen einzubringen“. Mit den Aufsichtsrätinnen hat sie eine halbe Stunde telefoniert, wohlgemerkt mit jeder einzelnen.
Fachwissen filtern
„Nur so gelingt es, aus viel Fachwissen etwas Verdauliches zu machen, dem Publikum Dinge übersetzen und nachfragen“, bestätigt Nicole Krieger. Ziel sei es, Expertenwissen so herauszufiltern, dass das für die Gäste ein gewinnbringendes Erlebnis ist. Das ist anspruchsvoll. Zum Beispiel auf einer Medizinertagung. „Ärztekongresse sind die Höchststrafe“, scherzt die Trainerin aus Karlsruhe. Da sitzen hochspezialisierte Fachärzte, die ein Basiswissen eint und der Wunsch, völlig unterschiedliche Dinge zu vertiefen.
Mit einem vorgefertigten Text und 25 Fragen kann da niemand bestehen. „Damit haben Sie ein Problem, das funktioniert nicht. Wir sind keine Schauspieler. Ich kann mich nicht auf die Gäste konzentrieren, rede nicht wie gedruckt. Ich bin perfekt vorbereitet, muss aber auf der Bühne nicht perfekt sein, sondern lasse Spontaneität zu.“ Sinnvoll sind Karteikarten mit Stichworten: „Was will ich sagen, nicht wie will ich es sagen.“ Namen, Zahlen, Fakten müssen stimmen. Ein Moderator, der ein gutes Honorar einstreicht, aber aus Professor Werner einen Dr. Weber macht, ist eine Fehlbesetzung. Die Gäste werden nicht mit einer öden Endlosbiographie vorgestellt. Das Zauberwort lautet: Relevanz erzeugen, damit alle gerne hinhören. Dazu bietet sich eine kleine Geschichte an. „Oder meine eigene Story, wie ich zum ersten Mal mit dem Gesprächspartner Kontakt hatte und was mich am meisten beeindruckt hat.“ Eine dritte Möglichkeit ist eine Publikumsinteraktion mit einer sachlichen Frage, die auf Emotionen zielt. Etwa beim Thema Digitalisierung. Wer von Ihnen liest Mails vor dem Frühstück? Es gehe um kurzweilige, keine platten Einstiegs-Fragen. „Von Rampensau-Nummern halte ich wenig“, bekennt Nicole Krieger.
Umgang mit Stillen und Lauten
In der Regel sind die eingeladenen Gäste unterschiedlich temperiert, die einen sind zurückhaltend, andere preschen vor. Das muss ein Moderator ausgleichen. „Wortkarge sind zu ermuntern, Vielredner sind zu stoppen, um eine Balance herzustellen“, sagt Krieger. Zu überproportionalen Beiträgen neigen Politiker, die eine Botschaft loswerden möchten und ein Medientraining hinter sich haben. Werden die Angriffe persönlich, so nach dem Motto, Müller ist ein A…, muss der Moderator einschreiten und auf Einhaltung seiner Regeln pochen. Verbalattacken hat Krieger bei ihren rund 800 Moderationen noch nicht erlebt, aber Schwätzer. „Ich erlebe regelmäßig Menschen, die andere nicht zu Wort kommen lassen.“ Dass ein Moderator niemanden bevorzugen oder bloßstellen sollte, scheint banal. „Wir sind zur Neutralität verpflichtet, leider halten sich daran nicht alle“, betont Dozentin Ariane Bertz.
„Hunger auf Menschen“
Im Normalfall kennen sich die Gäste auf dem Podium nicht untereinander. Deshalb gibt es ein kurzes Vorgespräch. Nicole Krieger nennt das ein Fünf-Minuten-Briefing, um ein dramaturgisch interessantes Gespräch zu erleben. Sie stellt sich vor, ermuntert die anderen, lebhaft zu diskutieren, aus dem Leben etwas zu erzählen und nicht nur zu antworten, bis sie aufgefordert werden. Wie intensiv befragt sie vorab ihre Gäste? „Das ist eine Gratwanderung, genug zu wissen, um klug fragen zu können, sich aber auch Neugier zu bewahren. Das muss jeder für sich herausfinden.“ Krieger will wissen, worüber jemand nicht sprechen möchte, um „in der Live-Kommunikation“ keine bösen Überraschungen zu erleben. Das sei ganz anders als beim investigativen Journalismus. „Wenn Sie jemanden mit etwas konfrontieren und er sich schlecht fühlt, macht das die Veranstaltung nicht besser. Wenn das Gesprächsklima nicht gut ist, brauchen Sie lange, bis das wieder gut wird.“ Das sei verschenkte Zeit, zu warten, bis der in die Enge Getriebene wieder ansprechbar ist. Ehrliches Interesse zu haben, spüre das Publikum. Oder wie der verstorbene Autor Roger Willemsen sagte: „Ein Moderator sollte Hunger auf Menschen haben.“
Vorsicht vor Gediegenheit
Im sogenannten Corporate-Bereich, also bei der Selbstdarstellung der Unternehmen, geht es grundsätzlich viel gediegener zu. Manchmal auch entsetzlich brav, weil nur Worthülsen aus Firmenbroschüren ventiliert werden. Übervorsichtige Presseabteilungen spielen eine ungute Rolle, wenn sie vorauseilend vorgeben, was der Vorstand gefragt werden darf. Einen Gefallen tun sie sich damit nicht, kritisiert Krieger. „Ich rate, mutig zu sein, etwas Persönliches zu fragen. Wenn es zum Beispiel um neue Modelle der Arbeitsgestaltung geht: „Was geben Sie Ihren Kindern mit?“ Dieses Vorgehen werde belohnt. „So haben die Gäste etwas erfahren, was nicht in den Imagebroschüren steht.“
Querulanten integrieren
Quotengetriebene Fernseh-Talkshow-Moderatoren, die die Mediendebatten dominieren möchten, setzen auf krawallige Gäste. Das bringt Schwung in den Laden. Für seriöse Geschäftsveranstaltungen sind solche Quertreiber ein GAU. Wie also mit Störenfrieden umgehen? „Man sollte versuchen, sie zu integrieren“, sagt Krieger. Auch Störer im Publikum zu ignorieren sei keine gute Idee. „Das hat Vorrang. Quatscht jemand mit den Nachbarn, stört das alle oder nur mich? Wenn das alle stört, muss der Moderator einschreiten.“ Das ist dringend geboten bei jenen, die Convention-Crasher genannt werden, also das Gespräch torpedieren. So jemandem darf man keine Bühne bieten. „Als Moderator müssen Sie die Führung behalten. Sie halten das Zepter in der Hand, handeln und sprechen das an. Wer sich nicht an meine Regeln hält, der muss raus. Das muss klar sein.“
Lampenfieber adé, ab ins Foyer
Ein gewisses Maß an Unsicherheit und Respekt vor der ungewohnten Situation ist normal. „Am liebsten wäre manchen Teilnehmern unserer Seminare, dass wir 367 Antworten auf mögliche Störungen geben könnten. Die gibt es natürlich nicht“, sagt Krieger und lacht. Drei Viertel aller Menschen haben Lampenfieber vor einem öffentlichen Auftritt, aus Angst vor einer negativen sozialen Bewertung. „Das ist nur dann nicht okay, wenn es sie daran hindert, sich so gut zu zeigen, wie sie sind.“ Trockener Mund, schwitzende Stirn, brüchige Stimme vereiteln den Auftritt. Das Wichtigste sei, das Lampenfieber zu optimieren, zu der inneren Einstellung zu gelangen, sich die Bühne zum Wohnzimmer zu machen. Nicole Krieger meint das konkret. Sie schaut sich vor dem Auftritt die Bühne an, bewegt sich dort, macht einen Soundcheck, bei dem sie es nicht beim üblichen „eins, zwei, drei“ belässt, sondern über Mikro mit dem Saalpersonal spricht. Manchmal geht sie im Vorfeld ins Foyer, „ein enormer Lampenfiebersenker“. Sie spricht mit Leuten, erfährt Erwartungen, die sie später einfließen lässt, um Nähe zum Publikum herzustellen: „Ich habe mich gerade noch unterhalten…“
Auch die Zielfotomethode hilft, sich mental auf Erfolg zu programmieren. Hier geht es darum, sich ein Zielfoto vorzustellen, zu visualisieren, welche Situation man erleben will, mit frenetischem Jubel empfangen zu werden oder zum Abschluss in glückliche Gesichter zu blicken. Krieger rät, dabei „ins Körpergefühl zu gehen“, zu überlegen, was höre ich, was rieche ich. Diese Methode sollte aber Tage vorher erprobt werden, „um sich von Angst auf Freude zu programmieren“. Für diese Auftritte gilt die Spitzensportler-Regel: Sie müssen Ihre Leistung auf den Punkt genau abliefern. „Am Tag X müssen Sie hundert Prozent geben und Ihre Höchstleistung abrufen können.“
Dialekt ja, vorausgesetzt …
Und die Sache mit dem Dialekt? Nicht jeder ist in und um Hannover geboren und spricht reines Hochdeutsch. Krieger ist großzügig. „Dialekt ist in Ordnung, solange er verstanden wird.“ Ein zünftiges Bayrisch stellt einerseits Nähe her – natürlich vor allem bei jenen, die ebenfalls so sprechen, zugleich wird es aber leicht als provinziell wahrgenommen. Wer weltoffen wahrgenommen werden möchte, spricht Hochdeutsch.
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