Das Arbeitszeugnis: Wie verschlüsselt ist die Zeugnissprache?

Worauf ist beim Arbeitszeugnis zu achten? Wer muss es ausstellen? Und warum können positive Formulierungen trotzdem negative Bewertungen enthalten?

In Deutschland hat jeder Arbeitnehmer nach Kündigung eines Arbeitsverhältnisses einen gesetzlichen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis. Das gilt für vom Arbeitgeber ebenso wie vom Arbeitnehmer selbst gekündigte Arbeitsverhältnisse. Neben dem rechtlichen Anspruch auf zeitnahe Aushändigung dieser Urkunde gelten noch einige andere Regeln, die ein Arbeitgeber zu beachten hat. Generell darf ein Arbeitszeugnis nicht so formuliert sein, dass es weitere Karriereschritte des scheidenden Mitarbeiters beeinträchtigen könnte. Der Grundtenor muss somit stets ein positiver sein. Doch es hat sich herumgesprochen, dass sich in vermeintlich positiven Formulierungen auch negative Bewertungen, regelrechte Zeugniscodes, verstecken können.

Prüfen, wie gut das Arbeitszeugnis wirklich ist

Wer ein Arbeitszeugnis erhält, sollte dieses wichtige Dokument genau prüfen. Es besteht zwar grundsätzlicher Anspruch auf ein wohlwollendes Zeugnis. Allerdings ist bekannt, dass Arbeitszeugnisse Formulierungen enthalten können, die Personalexperten als Geheimcodes verwenden und auch als solche vom potenziellen neuen Arbeitgeber entschlüsselt werden. Die Formulierungen der Zeugnissprache geben immer wieder Anlass für arbeitsrechtliche Konflikte. Allerdings gilt die Zeugnissprache schon lange nicht mehr als wirklich geheim. Grundsätzlich haben Unternehmen wenig Interesse daran, baldigen Ex-Mitarbeitern unnötige Hindernisse in den Weg zu legen. Noch weniger Motivation besteht, wegen eines offensichtlich nachteiligen Arbeitszeugnisses vor dem Arbeitsgericht erscheinen zu müssen.

Wer stellt das Arbeitszeugnis aus?

Grundsätzlich handelt es sich um eine Urkunde des Arbeitgebers. Diese ist auf Papier auszudrucken, also dem offiziellen Briefbogen der Firma oder wahlweise mit einem Firmenstempel zu versehen. Zudem muss das Arbeitszeugnis durch die Unterschrift mindestens eines Vorgesetzten besiegelt sein. Wer das Arbeitszeugnis tatsächlich verfasst, ist in der Praxis häufig anders geregelt. Arbeitgeber befreien sich gerne von der lästigen Pflicht, dieses heikle Dokument zu schreiben. Stattdessen bitten sie den betreffenden Mitarbeiter, das Arbeitszeugnis zunächst selbst zu verfassen und dem Arbeitgeber als Vorlage zur Verfügung zu stellen.

Welchen Vorteil hat es für den Mitarbeiter, das Arbeitszeugnis selbst zu verfassen?

Es ist legitim, dass der Mitarbeiter eine Selbsteinschätzung seiner erbrachten Leistungen und seines Verhaltens vornimmt. Deckt sich die Textvorlage einigermaßen gut mit dem, was der Arbeitgeber zu Papier gebracht hätte, ist diese Vorgehensweise unproblematisch und eine für beide Seiten zeitsparende Lösung. Passagen, die der Mitarbeiter bemängelt hätte, tauchen beispielsweise gar nicht erst auf. Doch der Mitarbeiter sollte sich auf jeden Fall mit dem Aufbau, dem Stil und den typischen Floskeln dieses Pflichtdokuments vertraut machen.

Wie ist ein Arbeitszeugnis formal aufgebaut?

Der Aufbau des Arbeitszeugnisses sollte dem Standard entsprechen. Eine abweichende Reihenfolge kann bereits zu Missverständnissen führen. Wird beispielsweise erst das Verhalten und dann die Leistung gelobt, scheint die Leistung nachrangig gewesen zu sein. Fehlt die Grußformel, kann der dadurch entstehende frostige Eindruck durchaus beabsichtigt sein. Daher ist folgende Chronologie die unverfänglichste:

  • Der Überschrift ist zu entnehmen, ob es sich um ein Zwischen- oder ein Abschlusszeugnis handelt.
  • In der Einleitung wird der Arbeitnehmer mit vollständigem Namen und ggf. akademischem Titel genannt und der Zeitraum der Anstellung angegeben.
  • Im Hauptteil erfolgt die Bezeichnung des Berufs oder der Tätigkeit, die der Mitarbeiter ausübte. Dazu gehört eine genaue Darstellung der Aufgaben, Aufgabengebiete und Verantwortlichkeiten. Bei besonders qualifizierten Fachkräften oder bei Führungskräften sollte sich diese Beschreibung auf die jeweils wichtigsten Bereiche konzentrieren.
  • Nun folgt die Leistungsbeurteilung: Wie zufrieden war der Arbeitgeber? Wie engagiert, einsatzfreudig und belastbar zeigte sich der Mitarbeiter? Welche Erfolge hat er erzielt? Diese Aspekte finden sich dann in einer zusammenfassenden Gesamtbeurteilung wieder.
  • Erst jetzt, also auf keinen Fall schon vor der Leistungsbeurteilung, finden die weichen Faktoren im Sinne des loyalen und korrekten Verhaltens oder der Arbeitsweisen Erwähnung.
  • Im letzten Abschnitt, also vor Grußformel und Unterschrift, wird noch erwähnt, aus welchem Grund das Arbeitsverhältnis endete.
  • Mit der abschließenden Grußformel bedankt sich das Unternehmen für die Mitarbeit und gibt dem scheidenden Mitarbeiter beste Wünsche für seine zukünftige berufliche Entwicklung mit.

 

Was gehört auf keinen Fall ins Arbeitszeugnis?

Alles, was Hobbys oder Freizeitaktivitäten betrifft, hat in einem Arbeitszeugnis nichts zu suchen. Arbeitnehmer können ein Arbeitszeugnis überdies ablehnen bzw. sich vor Gericht eine neutrale Version erstreiten, wenn es folgende Informationen enthält:
Hinweise auf politische Tätigkeiten oder Mitgliedschaften in einer Partei, in der Gewerkschaft oder im Betriebsrat

    • Stellungnahmen zu Krankheiten, krankheitsbedingten Fehlzeiten, Mutterschafts- oder Elternzeiten
    • Hinweise auf eventuell begangene Straftaten außerhalb des Unternehmens
    • konkrete Darstellungen von Straftaten oder Fehlverhalten des Mitarbeiters innerhalb des Unternehmens

Wurde einem Mitarbeiter wegen bestimmter Delikte, zum Schaden des Arbeitgebers oder von Arbeitskollegen, gekündigt, dann sagen eine knappe Formulierung wie „Wir mussten uns von Herrn/Frau Mustermann trennen“ und das Fehlen einer wohlwollenden Grußformel bereits mehr als tausend Worte. Generell sind besonders knapp und kurz gehaltene Arbeitszeugnisse immer ein Indiz für den neuen Arbeitgeber, dass es sich um einen problematischen Bewerber handelt.

Welcher Stil gilt in einem Arbeitszeugnis als unangemessen?

Ironie und offensichtlicher Sarkasmus sind anfechtbar. Kaum ein Arbeitsgericht lässt einem Arbeitgeber derartige „Stilmittel“ durchgehen. In diese Kategorie fallen mittlerweile auch Standardfloskeln, die zum großen Repertoire der Geheimcodes in Arbeitszeugnissen gehören. Dazu ein Beispiel: „Seine Kommunikationsfreude, stets gute Laune und offene, sehr gesellige Art trugen sehr zu einem positiven Betriebsklima bei.“ Hier wird andeutungsweise ein Mitarbeiter beschrieben, den der Volksmund eher als „schwatzhafte Plaudertasche“ bezeichnen würde und der bei betrieblichen Feiern auch gerne mal über die Stränge schlägt.

Was ausreichend gute von sehr guten Arbeitszeugnissen unterscheidet

Die feinen Differenzierungen sind es, die in einem Zeugnis den Unterschied zwischen einer besonders guten, einer mittelmäßigen oder sogar einer schlechten Beurteilung ausmachen. Das zeigt insbesondere der Begriff der Zufriedenheit. „Der Mitarbeiter erfüllte seine Aufgaben stets zur vollsten/zur vollen/zur Zufriedenheit“ – das sind die Notenabstufungen, mit denen der Arbeitgeber seine Beschäftigten beurteilt.
Wenn Arbeitgeber einem überdurchschnittlich guten Mitarbeiter mehr als nur diese Standard-Beurteilungen zukommen lassen wollen, führen sie weitere Details an. So können Meilensteine des Erfolgs, spezielle Verdienste oder besonderes Engagement hervorgehoben werden. Insbesondere für Mitarbeiter auf der mittleren oder gehobenen Management-Ebene ist es üblich, positive Bewertungen durch die eine oder andere Begründung glaubwürdig und realistisch wirken zu lassen.

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