Karriere: Von wegen befördert
Mit attraktiven Karrieremöglichkeiten wollen Unternehmen vielversprechende Mitarbeiter an sich binden. Doch das kann schnell nach hinten losgehen, wenn aus dem Sprung in die Führungsebene doch nichts wird.
Von Corinna Budras
Es war ja nur gut gemeint: „Beim nächsten Mal sind Sie an der Reihe“, sagte der Chef tröstend, als sein Mitarbeiter bei der Besetzung einer Stelle als Abteilungsleiter nicht berücksichtigt wurde und darauf sichtlich geknickt reagierte. Die nächste Gelegenheit kam und wieder wurde es nichts. Das sind meist die Momente, in denen die Enttäuschung der Wut weicht und der Mitarbeiter empört im Büro des Chefs steht: „Die Stelle hatten Sie aber mir versprochen.“ Da kann der Vorgesetzte nur verlegen mit seinen Büroklammern spielen. So langsam dämmert ihm, dass er die Stelle zur Motivation seiner Mitarbeiter vielleicht nicht gleich mehreren hätte versprechen dürfen.
Solche Konstellationen sind gar nicht so selten, hat Jutta Krogull, Geschäftsführerin der bayerischen Metall- und Elektro-Arbeitgeber in München, beobachtet. Oft sind es gar nicht die Arbeitgeber selbst, die durch unbedachte Zusicherungen Angriffspunkte für spätere Klagen lieferten. „Rechtliche Unwägbarkeiten entstehen vielmehr durch vage Zusagen direkter Vorgesetzter, die eigentlich gar nichts zu entscheiden hätten“, berichtete Krogull jüngst auf dem Passauer Arbeitsrechtssymposion.
Ähnlich lag auch der Fall einer Leiterin des „International Marketing“ des Musikkonzerns Sony BMG. Nur bei ihr kam der Vorwurf der Diskriminierung noch hinzu. Etliche Male schon hatte sie ihren Vorgesetzten vertreten, seine Nachfolge wurde ihr schon in Aussicht gestellt. Doch dann wurde sie schwanger, und als die Nachfolge tatsächlich anstand, war von ihrem avisierten Karrieresprung auf einmal keine Rede mehr. Ein Kollege auf derselben Abteilungsleiterebene bekam den Vorzug. Das ließ sie nicht auf sich sitzen und klagte auf Schadensersatz – bis hin zum Bundesarbeitsgericht. Der Fall beschäftigte die verschiedenen Instanzen über mehrere Jahre, inzwischen wurde ihr Schadensersatz in Höhe von 17 000 Euro zugesprochen.
Die Fälle von Diskriminierungen wegen des Geschlechts sind auch die Konstellationen, in denen Arbeitsgerichte am häufigsten von enttäuschten Mitarbeitern angerufen werden. Doch der Beweis ist selbst seit der Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) schwer zu führen. Immerhin muss die Klägerin Indizien vorlegen, die die behauptete Benachteiligung zwar nicht beweisen, aber doch immerhin glaubhaft machen. Das Bundesarbeitsgericht hat inzwischen in einem Fall gegen die Musikverwertungsgesellschaft Gema entschieden, dass auch eine Statistik über die mangelhafte Präsenz von Frauen in den oberen Führungsetagen ein Hinweis für eine Diskriminierung geben kann. Allerdings müssen die betroffenen Frauen noch andere Umstände anführen, die auf eine ungerechtfertigte Benachteiligung hinweisen (Az.: 8 AZR 1012/08).
Für Arbeitgeber ist der gesamte Bereich der „Mitarbeiterentwicklung“ ein Minenfeld. Schließlich wollen sie einerseits ihre Mitarbeiter bei der Stange halten und mit attraktiven Karrierechancen punkten, andererseits aber keine Erwartungen schüren, die sie später nicht erfüllen können. „Entscheidend ist, ab wann sich eine bloß diffuse Karrierechance zu einer echten Karrierepflicht verdichtet“, sagt der Mannheimer Juraprofessor Frank Maschmann. Die Antwort darauf ist in juristischer Hinsicht denkbar einfach: Es kommt darauf an.
Grundsätzlich haben es Mitarbeiter in der privaten Wirtschaft schwer, auf ihre einmal versprochene Beförderung zu pochen, wenn das Unternehmen nicht zufällig Ranglisten führt, die Auswahlkriterien für die Beförderung verbindlich festlegen und dann einfach nur abgearbeitet werden müssen. In der Regel gilt für Arbeitgeber: bloß nicht zu viel im Vorhinein festlegen. „Je höher die Regelungsdichte bei Beurteilung und Auswahl, desto größer die Gefahr einer Selbstbindung des Arbeitgebers“, warnt Krogull.
Halten sich Arbeitgeber daran, haben sie bei der Berurteilung ihrer Mitarbeiter einen weiten Spielraum. „Dienstliche Beurteilungen sind gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar“, stellte etwa das Bundesarbeitsgericht fest (Az.: 9 AZR 865/07). Die Entscheidung muss lediglich nachvollziehbar sein, und den richtigen Sachverhalt wiedergeben. Im Zweifelsfall sollten Unternehmen jedoch immer deutlich machen, dass sie sich mit der Auswahl und Förderung von den vielzitierten „high potentials“ nicht rechtlich binden wollen.
Im öffentlichen Dienst ist ein solcher Anspruch auf Beförderung dagegen gang und gäbe. Dort ist sogar im Grundgesetz in Artikel 33 festgelegt, dass jeder die gleichen Chancen auf Zugang zu einem öffentlichen Amt hat. Maßgeblich sind Eignung, Befähigung und fachliche Leistung. Dazu müsse der öffentliche Arbeitgeber ein Anforderungsprofil erstellen und dann feststellen, welcher Bewerber diesem am ehesten entspricht, sagt Krogull. Unzählige Konkurrentenklagen beschäftigen deshalb jedes Jahr die Gerichte, manchmal ist eine Stelle monatelang unbesetzt, weil erst die Gerichte entscheiden müssen, welcher Kandidat der fähigere ist.
Ähnliches droht in der Privatwirtschaft nicht, da sind sich die Arbeitsrechtler auf dem Passauer Juristentreffen einig. Doch wenn es schon kein einklagbares Recht auf Beförderung gibt, so könnten Bewerber wenigstens einen Anspruch darauf haben, dass der Auswahlprozess ermessensfehlerfrei über die Bühne geht, findet Maschmann. Dann könnte im Zweifelsfall der Betriebsrat seine Zustimmung verweigern. Außerdem sieht der Mannheimer Arbeitsrechtler Compliance-Probleme, wenn ein Unternehmen die selbstgesetzten Auswahlregeln nicht befolgt. Das könnte seiner Ansicht nach in Unternehmen den Straftatbestand der Untreue erfüllen, „weil die Geschäftsführung mit dem verwalteten Vermögen ganz offenkundig nicht mehr den besten Mann oder die beste Frau beschäftigt und es damit schädigt“, sagt Maschmann. Auch er räumt allerdings ein, dass selbst im öffentlichen Dienst noch offen sei, ob die richtige Beförderungsentscheidung durch das Strafrecht abgesichert sei.
Rechtlich oder personalpolitisch – die Gratwanderung ist für Konzerne und Mittelständler gleichermaßen heikel. Deshalb setzen sie inzwischen auf systematische Personalentwicklungsprogramme. Dazu gehören regelmäßige Mitarbeitergespräche, in denen Vorgesetzte und Mitarbeiter Bilanz über bisherige Aufgaben und Projekte ziehen, neue Ziele abstecken und Fördermöglichkeiten besprechen. Auch Traineeprogramme oder umfangreiche Assessment-Center-Verfahren gehören inzwischen schon zum Standard. Oft werden Arbeitnehmer turnusmäßig nach ihren Fähigkeiten beurteilt und dann in eine „Spitzengruppe“ eingeteilt, die in ein spezielles Führungskräfteprogramm aufgenommen wird.
Arbeitgeber sollten sich bei jeder Personalentscheidung genau überlegen, warum sie sich für oder gegen die Beförderung eines Mitarbeiters entscheide, rät Joachim Sauer, Präsident des Bundesverbands der Personalmanager. Unüberlegte Entscheidungen könnten umgekehrt nämlich dazu führen, dass die Vorgesetzten die Entscheidung nicht vernünftig erklären könnten. Und dies sei einer der Kardinalfehler, die Unternehmen machen, wenn sie eine unerfreuliche Entscheidung für einen Mitarbeiter fällten. Besonders heikel ist die Situation, wenn der übergangene Kandidat eigentlich auf die Stelle gepasst hätte. „Dann stellt sich die Frage der Wertschätzung, die schnell zu einer Demütigung werden kann“, sagt Sauer. Auch in diesen Fällen hilft nur, in einem Vier-Augen-Gespräch offen über das Dilemma zu sprechen.
Wirklich versprechen sollten Arbeitgeber jedoch nichts – rechtlich, aber auch wegen der Mitarbeitermotivation. „Es ist immer gut, wenn mit den Mitarbeitern eine Karriereplanung gemacht wird, aber mit Versprechen wäre ich immer vorsichtig“, warnt Sauer. „Nicht eingehaltene Versprechen sind das Schlimmste, was es gibt.“