Vorsicht, Präsente!
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In vielen Büros häufen sich vor Weihnachten die Geschenke von Geschäftspartnern und Kunden. Aber Arbeitnehmer müssen aufpassen. Und Beamte sollten alarmiert sein.
Von Marcus Jung
Es ist wie jedes Jahr. In der Hauspost der Unternehmen stapeln sich Adventskalender, Lebkuchen und Weinverpackungen. Wer das ganze Jahr über vertrauensvoll Geschäfte miteinander macht, bedenkt Kunden und Geschäftskontakte oft mit einem Präsent. Manche von ihnen lassen sich unter Kollegen leicht aufteilen. Doch in anderen Fällen können Mitarbeiter ins Grübeln kommen: Soll man das Geschenk eines Geschäftspartners ablehnen, weil es jeglichen finanziellen Rahmen überreizt? Oder nimmt man gedankenlos Konzertkarten, den Eintritt in VIP-Logen oder den aufwendigen Kunstkatalog an – nach dem Motto: Wird schon nichts passieren?
Letzteres ist für Arbeitnehmer aus juristischer Sicht die deutlich schlechtere Alternative. Einerseits macht man sich angreifbar, denn die Annahme von Geschenken von Lieferanten und Geschäftspartnern könnte später mal von einer Staatsanwaltschaft als kriminelle Handlung bewertet werden – etwa im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Korruption und der Bestechlichkeit. Denn was nur wenige wissen: Es kommt nicht immer auf den Geldfluss an, auch Sachleistungen reichen mitunter aus. Zudem drohen dem Mitarbeiter in der Privatwirtschaft auch arbeitsrechtliche Konsequenzen. Denn der konforme Umgang mit Einladungen oder Geschenken von Geschäftspartnern ist eine Nebenpflicht des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis, erklärt Anwalt Wolfgang Lipinski: „Es geht dabei um redliches Verhalten im Geschäftsverkehr“, sagt der Anwalt der Kanzlei Beiten Burkhardt.
Das Thema Annahme von Geschenken im Betrieb ist kein saisonales Phänomen im Advent, sondern es stellt Mitarbeiter das gesamte Jahr vor die Frage: Was darf ich überhaupt noch annehmen? Die Antwort ist komplex, sie lässt sich nicht so leicht wie Arbeitszeit, Arbeitsort oder Vergütung regeln. So lassen sich in Standardarbeitsverträgen wegen der strengen AGB-Kontrolle umfassende Verbote oder Vorgaben für Weihnachtspräsente von Geschäftspartnern kaum rechtssicher fassen, meint Lipinski.
Arbeitgeber könnten damit Gefahr laufen, dass ihre Vertragsbedingungen von den Arbeitsgerichten kassiert werden. Aus Sicht von Juristen bietet sich in Unternehmen, die über einen Betriebsrat verfügen, eine andere Lösung an. Bevor beim Mitarbeiter die „große Verunsicherung“ entstehe, was er dürfe oder zu unterlassen habe, sollte eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat getroffen werden, empfiehlt Lipinski. Per Betriebsvereinbarung – die im Gegensatz zum Arbeitsvertrag nicht der strengen Prüfung einzelner Klauseln unterliegt – könnten zum Beispiel Einladungsrichtlinien, Anzeige- und Genehmigungspflichten bis hin zu innerbetrieblichen Regeln („Code of Conduct“) geklärt werden, die für alle Mitarbeiter einheitlich gelten. „Ich empfehle außerdem, eine Bagatellgrenze für den Wert eines Geschenks zu definieren. In der Privatwirtschaft liegt diese derzeit zwischen 30 und 50 Euro“, sagt der Anwalt. Viele Unternehmen der Privatwirtschaft orientieren sich mittlerweile an dieser Vorgabe, auch die Gerichte akzeptieren Präsente in diesem Umfang. Doch wie bringt man die eigenen Mitarbeiter auf den gleichen Wissensstand? Die Kritik von Mitarbeitern, sie würden die in ihrem Unternehmen geltenden Compliance-Regeln nicht kennen, kontert Lipinski: „Solche Vereinbarungen lassen sich zentral aushängen oder für jedermann einsehbar ins Intranet stellen.“ Im Zweifelsfall sollten Arbeitnehmer Rücksprache mit dem unmittelbaren Vorgesetzten oder der Personalabteilung halten und etwa vor der Annahme einer Einladung eine schriftliche Erlaubnis einholen. Zur eigenen Absicherung ist eine formlose E-Mail ausreichend.
Die Verbindung des Angenehmen mit dem Nützlichen, gerade wenn es um den gemeinsamen Besuch von Konzerten und Sportereignissen geht, hat in Deutschland die höchsten Strafgerichte beschäftigt: So hatte der Bundesgerichtshof im Oktober 2008 den Freispruch für den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden von EnBW, Utz Claassen, wegen des Vorwurfs der Vorteilsgewährung bestätigt. Claassen hatte zu Weihnachten 2005 Gutscheine für Tickets zur Fußballweltmeisterschaft in Deutschland an verschiedene Politiker verschickt. Ob ein Verhalten – auch von Führungskräften – strafbar ist, bleibt immer eine Einzelfallentscheidung. Mit dem Fall Claassen haben sich aber Kriterien herausgebildet, an denen sich Gerichte orientieren: Position des Empfängers, Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit, tatsächliche Geschäftsabschlüsse in zeitlicher Nähe zu der Zuwendung und ob sich daraus ein System entwickelte.
Neben Managern sollten aber Amtsträger und Mitarbeiter der öffentlichen Hand vor der Annahme von Geschenken alarmiert sein. „Die Regeln im öffentlichen Sektor sind deutlich rigider als in der Privatwirtschaft“, erklärt Lipinski. Hier dürfen grundsätzlich keine Geschenke angenommen werden, denn es gilt, das Vertrauen in die unabhängige Verwaltung beziehungsweise Justiz zu stärken. Anwälte warnen davor, selbst Gegenstände mit geringstem Wert anzunehmen; es sei denn, der Dienstherr hat dies vorab genehmigt, oder es gibt eine Dienstanweisung. Wie ernst es etwa den Bundesministerien ist, so Lipinski, zeige ein umfassender Katalog zur „Integrität der Verwaltung“, den das Bundesministerium des Inneren erstellt hat: „Für Bundesbeamte gilt ein grundsätzliches Verbot für die Annahme von Geschenken.“ Die strikte Haltung hat sich offenbar nicht bis Hamburg herumgesprochen. Im September hatte ein Konzertveranstalter etliche Mitarbeiter des Bezirksamtes Hamburg-Nord zum Auftritt der Rolling Stones im Hamburger Stadtpark eingeladen. Der Gesamtwert der Karten soll mehr als 10 000 Euro betragen haben. Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen aufgenommen.
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