Wie Young Professionals und Unternehmen zusammenfinden
Young Professionals werden für Unternehmen immer wichtiger. Young Professionals und Unternehmen finden zusammen.
Wenn es um Stellenbesetzungen geht, achten Unternehmen heute vor allem auf Praxiserfahrung, Durchhaltevermögen und die Persönlichkeit der Arbeitnehmer. Gleichzeitig müssen sie die hohen Erwartungen der Young Professionals effektiv abfangen.
von Peer Bieber
Der Fachkräfteengpass und die Auswirkungen des demographischen Wandels haben mittlerweile viele Branchen erreicht. Besonders kleine und mittelständische Unternehmen müssen Young Professionals – junge Berufstätige im Alter von 18 bis 30 Jahren – für sich gewinnen, vermerken aber immer stärker ausbleibende Bewerbungen. Dadurch können und werden viele der täglich über 1,2 Millionen offenen Stellenanzeigen im Internet nicht zeitnah besetzt. Als Konsequenz hat der Aufbau von Arbeitgebermarken in Deutschland Hochkonjunktur: Unternehmen werben selbst auffälliger, professioneller und proaktiver um die Gunst qualifizierter Berufseinsteiger.
Die gute Wirtschafts- und Arbeitsmarktsituation führt zu einem starken Arbeitnehmermarkt. Die besten Fachkräfte stehen aktuell in Lohn und Brot und müssen sich selbst nicht aktiv bewerben. Aus diesem Grund setzen Unternehmen immer mehr auf eine Arbeitgeberbewerbung – und stellen sich selbst bei den Young Professionals vor. Die größte Herausforderung besteht hierbei nicht darin, die passenden Kandidaten zu finden, sondern die richtige Ansprache zu wählen: Das Erfolgsrezept ist, als attraktiver Arbeitgeber mit spannenden Aufgaben zu erscheinen, ohne zu hohe oder falsche Erwartungen zu wecken.
Doch auch als „Bewerber“ haben Unternehmen gewisse Vorstellungen und stellen Ansprüche an den optimalen Arbeitnehmer. Was Personalentscheider wirklich brauchen und suchen, korreliert dabei nicht immer mit den Erwartungen der Young Professionals. Denn gerade in Branchen mit starker Konkurrenz ist es zwar durchaus wichtig, die geforderten Qualifikationen mitzubringen, andererseits geht es aber auch darum, sich durch Praxiserfahrung und Persönlichkeit zu profilieren.
Praxisnahe Qualifikation punktet
Das hochspezialisierte Bildungssystem in Deutschland bringt gut ausgebildete Fachkräfte mit Berufs- oder Hochschulabschluss in den Arbeitsmarkt. Für die meisten Unternehmen zählen hierbei relevante Qualifikationen, Abschlussnoten stehen schon lange nicht mehr im Vordergrund. Ob dabei eine Berufsausbildung oder ein Studienabschluss eher überzeugen, ist stark von der jeweiligen Branche und der Firmenkultur abhängig.
In der Praxis allerdings müssen gerade durch den technologischen Fortschritt ständig Lösungen gefunden werden, die in keinem Lehrbuch stehen. Vielen jungen Experten fehlt jedoch der Rundumblick für diese Aufgaben. Entsprechend werden Berufseinsteiger mit einer breiten, praxisnahen Qualifikation in den meisten Fällen bevorzugt. Wer beispielsweise vor seinem Studium eine Berufsausbildung absolviert hat oder ein duales Studium besucht, erhält direkt Pluspunkte.
Dass Unternehmen Bewerber mit einer ersten einschlägigen Berufspraxis vorziehen, hängt auch mit dem demographischen Wandel zusammen. Die Kommunikation zwischen den Generationen beruht auf einem gemeinsamen Verständnis für das jeweilige Aufgabengebiet, das nur durch praktische Erfahrung geschaffen werden kann. Dieser Wissenstransfer zwischen den Generationen lässt sich mit akademischen Berufseinsteigern, die sich bislang eher selten die Hände schmutzig gemacht haben, nicht unbedingt leichter durchführen. Bewerber mit ersten praktischen Erfahrungen sind also im Vorteil – aber noch lange nicht eingestellt. Denn am Ende des Tages überzeugt neben den fachlichen Qualifikationen immer noch die Persönlichkeit der Bewerber.
Für Personalentscheider spielen die menschlichen Aspekte eine starke Rolle: Stimmt die Chemie zwischen Führungskraft und Bewerber? Passt der Neue in das generationenübergreifende Team? Hat er die richtige Einstellung? Der Bauchfaktor entscheidet auch in den heutigen Zeiten, ob schließlich ein Arbeitsvertrag angeboten wird oder nicht. Auf ein ausgeprägtes Durchhaltevermögen und eine hohe Motivation legen HR-Abteilungen ein besonderes Augenmerk.
Gerade das Durchhaltevermögen ist für die meisten Entscheidungen sehr wichtig. Denn trotz rückläufiger Bewerbungszahlen beklagen immer mehr Personalentscheider, dass sie mit Bewerbungen von 24-jährigen Absolventen bombardiert werden, die unternehmensstrategische internationale Projekte durchführen wollen. Dabei können die an Berufs- und Hochschulen propagierten Karriereperspektiven und abwechslungsreichen Tätigkeiten in der Praxis oft gar nicht angeboten werden.
Zwischen Traumjob und Tagesgeschäft
Über 90 Prozent der Unternehmen suchen primär Fachkräfte, die ihr Handwerk verstehen, von Montag bis Freitag das Tagesgeschäft abwickeln und sich um die Produkte und Dienstleistungen ihres Arbeitgebers kümmern. Kurz gesagt sollen sie den Betrieb sicherstellen. Unternehmen brauchen Fachkräfte, die anpacken können. Dabei ist den Unternehmen durchaus bewusst, dass die Young Professionals oft wesentlich höhere Erwartungshaltungen haben.
Sie fordern mehr Dynamik, Perspektiven und Work-Life-Balance – oder auch Work-Life-Blending, also das Verschmelzen von Arbeits- und Privatleben. Arbeit muss erfüllen und sinnstiftend sein. Diese Wünsche können von den meisten Unternehmen jedoch nur bedingt erfüllt werden. Deshalb kommt es für viele Berufseinsteiger oft zum Praxisschock und zu Frustration, wenn sie in die Arbeitswelt eintreten.
Personalverantwortliche können dies verhindern, indem sie im Voraus ihre Stellenangebote realistisch und mit einem klaren Rahmen darstellen. Die Attraktivität der Stelle sollte durch greifbare und relevante Anreize gesteigert werden – beispielsweise durch 30 Tage Urlaub oder Weiterbildungsangebote für eine Fachlaufbahn. So können falsche Vorstellungen zugunsten einer reellen Zusammenarbeit aufgehoben und die Zufriedenheit auf beiden Seiten gesteigert werden.
Peer Bieber ist Experte für innovatives Recruiting und Geschäftsführer von ArbeitgeberGold.
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